Jeden Tag sehe, höre und lese ich Geschichten, die mich begeistern. Deshalb bitte ich in meinen Seminaren meine Teilnehmer, mir die Geschichte vorzustellen, die sie als letztes gedreht haben. Oft finden wir heraus, dass das gar keine richtige Geschichte war. Die Brust-OP einer 23-jährigen Frau ist noch lange keine Geschichte. "Aber es geht bei einer Geschichte doch um eine Verwandlung - und danach ist die Frau doch verwandelt" höre ich die Redakteurin protestieren. Nein, ist sie nicht.
Fernsehen ist in erster Linie selbstreferienziell - Fernsehmacher orientieren sich nicht mehr am wirklichen Leben, sondern an der Realität, die im Fernsehen gezeigt wird. Sobald ein Redakteur den Auftrag "Brust-OP" kriegt, weiß er, welche MAZ sein CvD sich vorstellt. Erst den Mangel zeigen (am besten der Busen in Großaufnahme), dann einige Stimmen einfangen (Lebensgefährte, Mutter, beste Freundin), Vorgespräch beim Arzt. Am Morgen der OP - Nervosität, dann Fahrt in den OP. Aufwachraum (am besten hält der Freund Händchen) und Schmerzen. Schließlich 3 Wochen danach: Alles hat sich gelohnt, der Busen ist toll geworden (am besten den Busen in Großaufnahme zeigen).
Doch die wahre Verwandlung in einer Geschichte passiert immer im Inneren des Protagonisten. "Aber wie soll ich das Innere der Frau im Fernsehen zeigen?" Nicht durch Tränen, nicht durch Voice-Over - sondern indem ich sie frage, warum sie diese OP möchte (wegen mangelndem Selbstbewusstsein, ihrer Freundin oder Mutter, ihrem Lebensgefährten, einem Unfall, einem Erlebnis in ihrer Pubertät). Findet die wahre Motivation des Protagonisten heraus und die Geschichte entfaltet sich von selbst.
Dienstag, 26. Mai 2009
Wie finde ich eine Geschichte?
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Uwe Walter,
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